Mit meinem Tandem habe ich ganz neue Seiten an mir entdeckt

Zwei Frauen stehen lachend vor Flipchart

Mein Mindset hat sich durch das Jobsharing grundlegend geändert

Heute haben wir Melanie und Julia zu Gast, die seit über 5 Jahren bereits erfolgreich im Jobsharing-Modell bei Bosch in Deutschland arbeiten. Die beiden langjährigen Mitarbeiterinnen des Konzerns haben sich sogar schon gemeinsam auf eine neue Position beworben. Sie erzählen, worauf es beim Jobsharing für sie ankommt, und wie der Bewerbungsprozess zu zweit abgelaufen ist. 

Melanie: Ich war schon immer an Technik interessiert. Nach meinem Abitur habe ich mich zunächst für ein duales Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Berufsakademie entschieden. Danach folgte ein technisches Aufbaustudium im Bereich Maschinenbau und von dort aus ging es vor 17 Jahre direkt zu Bosch in die Entwicklungsabteilung für Dieselmotorkomponenten.
    
Das hört sich nach einer beeindruckenden beruflichen Laufbahn an. Und wie kam es zur Idee des Jobsharings?

Melanie: Nach der Geburt meines zweiten Kindes habe ich auf Teilzeit reduziert. Nach 12 Jahren in der Entwicklung, wollte ich mich dann beruflich verändern und ins Produktmanagement wechseln. Wichtig waren für mich die Teilzeitkomponente, der internationale Fokus und eine verantwortungsvolle Aufgabe. 

Julia: Ich arbeite bereits seit 21 Jahren bei Bosch. Nach meinem dualen Studium in International Business Administration begann ich ich direkt bei Bosch und durchlief verschiedene Marketingfunktionen – davon auch 5 Jahre in Ungarn als Marketingleitung. Zurück in Deutschland wollte ich als Mutter einer Tochter nur noch Teilzeit arbeiten, um ausreichend Zeit für die Familie zu haben. 
Die „Idee“ zum Jobsharing kam auf, als ich mich für eine Stelle im Produktmanagement beworben habe und meine Chefin mir sagte, dass sie bereits eine Kandidatin gefunden habe, die aber nur 24 Stunden arbeiten kann. Niemand dachte damals wirklich über Jobsharing nach, nur darüber, dass eben noch ein paar Stunden in der Position fehlten. Somit wurde die Rolle für die verbleibenden Stunden als Teilzeit-Stelle ausgeschrieben. Dass es sich aber um eine Jobsharing-Stelle handelte, war uns nicht direkt bewusst. Ich suchte dann den Kontakt zu Melanie, um mir von ihr als Person ein Bild zu machen. Nach einem langen Gespräch mit ihr war ich aber überzeugt, dass das gut passen könnte.

Das heißt, Ihr habt wirklich Eure ergänzenden Kompetenzen in die Rolle eingebracht und Euch erst „on the go“ kennengelernt?

Melanie: Genau, das war für uns beide ein Glücksgefühl, weil wir gemerkt haben, dass wir unterschiedliche Stärken und Interessen haben und uns so top ergänzen. Das motiviert uns und macht echt Spaß.
Julia: Am Anfang fiel es mir schwer, mich in die Teilzeit-Rolle einzufinden. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, wenn ich aufgrund meiner reduzierten Wochenstunden für Termine mit Vollzeitkollegen nicht verfügbar war. Melanie hat mir in dieser Hinsicht sehr geholfen, Dinge zu relativieren und uns als Team zu sehen – das aufeinander abgestimmt ist. Es muss nicht jeder alles tun. Die verzahnte Arbeitsteilung ist beim Jobsharing das Erfolgsrezept.

 

Wir teilen uns nach Stärken und Kompetenzen ein

 

Wie hat die konkrete Zusammenarbeit dann bei Euch funktioniert?

Melanie: Wir haben uns gemeinsam ein flexibles Arbeitssystem erarbeitet und geschaut, wie wir uns am besten aufteilen, sodass wir auch Termine an Nachmittagen wahrnehmen können. Zudem teilen wir unsere Projekte nach unseren Stärken und Kompetenzen aber auch nach Kapazitäten auf. Wir haben unterschiedliche Kompetenzfelder und fachliche Schwerpunkte – das ergänzt sich bei uns sehr gut. Ich hatte beispielsweise zu Beginn dieses Jahres ein Projekt, bei dem ich wusste, dass dieses Thema bei Julia fachlich besser aufgehoben ist. Wir haben darüber gesprochen und Julia hat das Projekt dann übernommen. 
Ein ganz entscheidender Faktor ist natürlich das gegenseitige Vertrauen. Wir arbeiten Hand in Hand und können uns gegenseitig aufeinander verlassen. Zudem habe ich in der Zusammenarbeit mit Julia ganz neue Seiten an mir entdeckt. Am faszinierendsten finde ich, wie sich dadurch mein Mindset zu Zusammenarbeit verändert hat. 

Julia: Am Anfang mussten wir uns schon ein wenig einspielen, da wir ganz unterschiedliche Herangehensweisen haben. Was aber wiederum den Vorteil mit sich bringt, ein Projekt oder ein Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Oft ist es ganz erstaunlich, wie gut sich unsere Fähigkeiten und Ideen ergänzen und Synergien entstehen, die uns zu Höchstleistungen anspornen.


Wie hat Euer Umfeld reagiert, bzw. wie haben die Kolleg:innen und Stakeholder es aufgenommen, dass Ihr die Position im Jobsharing machen wolltet?

Melanie: Die Idee, die verbleibenden Stunden auszuschreiben und ein Jobsharing zu bilden, kam ja von unserer Chefin und der Personalabteilung. Daher gab es in dieser Hinsicht keine Vorbehalte oder Bedenken. Sie war von Anfang an offen für dieses Modell und hat uns darin bestärkt. 

Julia: Von den anderen Kolleginnen und Kollegen kamen anfangs schon ein paar Fragen, da Jobsharing an unserem Standort zuvor nicht üblich war. Wir haben das Thema aber offen angesprochen und erklärt, warum wir dieses Modell gewählt haben, wie es funktioniert und wie unsere Arbeitsweise ist. Es ist wichtig, die anderen abzuholen und ihnen ein Verständnis dafür zu geben. 

Melanie: Richtig, wir haben auch gemerkt, dass manche Kolleginnen und Kollegen uns erst einmal skeptisch beäugt haben, aber sobald sie mitbekommen haben, wie gut es funktioniert, waren sie positiv überrascht.

 

Gemeinsame Weiterentwicklung funktioniert

 

Wie ging es dann in Eurer Karriere weiter?

Julia: Irgendwann kam der Gedanke auf, dass es nach fünf Jahren im Produktmanagement Zeit für eine Veränderung ist. Wir haben einige Führungskräftewechsel miterlebt und gemerkt, dass das Thema Jobsharing gut funktioniert. 

Melanie: Ja genau, erst als wir dann zu zweit die Stelle wechseln wollten, haben einige Kolleginnen und Kollegen erst richtig wahrgenommen, dass wir ein Duo in unserem Job sind. (lacht)

Wie seid Ihr die Bewerbung für den neuen Job dann angegangen?

Melanie: Wir haben schnell festgestellt, dass ein Bewerbungsgespräch mit zwei Bewerberinnen in einer Stunde kaum realisierbar ist. So haben wir gelernt anders an die Sache heranzugehen bzw. gleich im Vorfeld zu klären, was bei Jobsharern die Besonderheit ist. 

Julia: Bei unserer neuen Position als Service Business Development Manager haben wir die Gespräche tatsächlich getrennt voneinander geführt. Das hatte den Vorteil, dass wir uns als Person ausführlicher vorstellen und auf unsere Kernkompetenzen und bisherigen Projekte eingehen konnten. Das wäre im Duo nicht so möglich gewesen.

Das merkt man oft, dass Jobsharing Paare oft nicht „offiziell“ in den Unternehmen benannt werden und dann auch nicht als solche wahrgenommen werden. Dann weiß die Organisation gar nicht, wie viele Tandems sie tatsächlich hat. 

Aber wie hat die Bewerbungsunterlage am Ende bei Euch dann ausgesehen? Wie habt Ihr Euren gemeinsamen CV gestaltet?

Melanie: Unser gemeinsamer CV teilt sich in zwei Bereiche auf: Zu Beginn geht es um das Modell Jobsharing allgemein, unsere Arbeitsweise und gemeinsamen Fähigkeiten. Danach folgen die persönlichen Seiten mit beruflichem Werdegang.
Wir haben uns diesbezüglich auch mit einem anderen Tandem bei Bosch ausgetauscht. Über eine interne Community mit Jobsharern bei Bosch berichten wir regelmäßig über unsere Erfahrungen und Herausforderungen in unseren Jobs aber auch Perspektiven und Möglichkeiten.

Julia: In der Bewerbungsphase haben wir uns sogar noch besser kennengelernt. Wir haben über unsere Stärken gesprochen und uns gegenseitig reflektiert. Manchmal fiel das Fremdbild besser aus als das Selbstbild. Das war eine interessante Erfahrung. 
 

Melanie: In unserer neuen Position profitiere ich beispielsweise sehr davon, dass Julia bereits in diesem Bereich gearbeitet hat und über ein super Netzwerk verfügt. Das nutze ich natürlich mit und kann somit viel schneller in der neuen Rolle loslegen, als wenn ich mir das Netzwerk erst aufbauen müsste. Unsere neue Chefin hat uns auch direkt ihr Vertrauen geschenkt und uns überlassen, wie wir uns arbeitstechnisch aufteilen. Wir sind absolut flexibel und teilen uns gemäß unseren Verfügbarkeiten auf. In zeitkritischen Phasen splitten wir bewusst die Themen innerhalb eines Projekts, um parallel zu arbeiten und das Projekt schneller fertigzustellen. Somit erhöhen wir kurzfristig die Kapazität.

Julia: Wir stellen schon fest, dass für einige unserer Kolleginnen und Kollegen das Jobsharing Modell noch nicht ganz vertraut ist und durchaus Fragen aufkommen – insbesondere ob der kommunikative Austausch zwischen uns reibungslos funktioniert und sie uns in diesem Bezug vertrauen können. Wir gehen damit aber ganz offen um und erklären direkt zu Beginn eines Projekts unsere Arbeitsweise unsere Aufgabenverteilung und die Schnittmengen. Das kommt bei den Kollegen gut an. 

Vielen Dank, Julia und Melanie, für Eure spannenden Einblicke und Erfahrungen. 
 

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