In der IT braucht man eine starke Arbeitgebermarke
Wie arbeitet man in zwei Tandems gleichzeitig?
Ich habe Carina Hödl, Führungskraft bei niceshops, über einen Post auf LinkedIn kennengelernt. Dort habe ich erfahren, dass sie nicht nur Team Lead IT im Jobsharing ist, sondern auch im Team Lead Employer Branding.
Arbeiten, was Spaß macht
Im Interview erzählen mir Carina und ihre beiden Partner, Stephan Lückl (niceshops Mitgründer und Head of Development) und Christian Moser (Lead Organisationsentwicklung und Employer Branding) von ihrer „Dreiecksbeziehung“.
Selbstorganisation und Entscheidungsfreiheit
Danke Carina, Stephan und Christian, dass Ihr heute mit mir über Eure durchaus ungewöhnliche Arbeitskonstellation sprecht.
Carina, du bist in zwei Lead Funktionen tätig. Wie funktioniert die Arbeit als geteilter Lead von zwei Abteilungen?
Carina: Bei niceshops sind die Jobs grundsätzlich mit einem hohen Maß an Selbstorganisation und Autonomie ausgestattet. Jede:r Beschäftigte verfügt über eine gewisse Entscheidungsfreiheit. Wir sind als Abteilungen in „Circles“ eingeteilt, wo ich mir im Circle “Software Engineering & Infrastructure” mit Stephan die Führung teile. Ich bin technisch nicht so versiert wie er, dafür übernehme ich alle personalrelevanten Themen.
Stephan: Der Status der Rolle hat in unserem Unternehmen keine große Relevanz. Wir versuchen für alle die Aufgaben zu definieren, wo sie am meisten Spaß haben und mit viel Energie gut arbeiten. So habe ich die Fachthemen im IT Bereich übernommen und die HR Aufgaben an Carina abgegeben.
Wie kam dann Christian ins Spiel?
Carina: Der IT Markt ist bezogen auf Fachkräfte heiß umkämpft. Da braucht man eine sehr starke Arbeitgebermarke. Aus meinen vorherigen Jobs hatte ich viel Marketing Erfahrung und kann hier meine Expertise gut einbringen. Irgendwie sind wir gemeinsam mit Christian draufgekommen, dass wir das Employer Branding gemeinsam aufziehen könnten.
Christian: Ich kam als Organisationsentwickler zu niceshops. Wir haben in der Zusammenarbeit bald bemerkt, dass wir unsere Fähigkeiten bündeln können und auf Basis einer ersten großen Employer Kampagne mit Fokus auf IT: "Nice Code Valley" das Employer Branding für das gesamte Unternehmen professionalisiert..
Seither leiten wir das Thema zu zweit an – allerdings ausgeweitet auf die gesamte niceshops Organisation.
Wie funktioniert nun die Zusammenarbeit jeweils mit den Führungspartnern?
Stephan: Grundsätzlich kümmern wir uns jeweils um die strategische Ausrichtung, Ziele und Mitarbeitende. Wobei doch auch viel von den Beschäftigten selbst kommt. Wir arbeiten wie so viele IT Unternehmen mit der SCRUM Methode, wo schon sehr selbstorganisiert gearbeitet wird. Unsere Aufgabe ist es, alles zusammenzuhalten und die Kommunikation zwischen und innerhalb der Teams sicherzustellen.
Carina: Ich beschäftige mich viel mit Vorbereitung, Strukturen und Organisation. Wenn es dann zu technischen Inhalten kommt, ist Stephan am Zug.
Christian: Carina und ich entwickeln gemeinsam unsere Employer Branding Strategie und kümmern uns darum, dass wir es auch messbar für uns machen. Wir beschäftigen uns damit, wie wir systematisch an unserer Kultur arbeiten und sie weiterentwickeln können.
So funktioniert Peer Recruiting
Man spürt bei Eurer Kultur sehr viel Freiheit, Gestaltungsraum und Selbstständigkeit. Ist das jedermanns Sache? Und wie begeistert und rekrutiert Ihr neue Kolleg:innen in dem heiß umkämpften Markt?
Carina: Wir haben in unserem Unternehmen eine sehr hohe Teilzeitquote - flexible Arbeitsmodelle sind bei uns lange schon ganz normal. Wir verteilen Rollen nach Kompetenzen und Stärken. Wenn wir eine Stelle neu ausschreiben, dann passiert das mit den zukünftigen Team Mitgliedern gemeinsam. Das nennt man „Peer Recruiting“, was sich bei uns sehr bewährt hat. Wir definieren zusammen, welche Skills nötig sind. Die Gespräche mache ich dann mit Stephan gemeinsam. Er schaut aufs Fachliche, ich auf die People Komponenten.
Stephan: Wir sind überzeugt, dass nur Arbeit organisiert wird, nicht die Menschen. Wir suchen den „cultural fit“ für unser Unternehmen. Die Menschen müssen in einer solch freien Kultur auch arbeiten wollen und können. Daher stehen an unseren Ständen bei Jobmessen auch die echten Kollegen, sprich die Entwickler:innen, und nicht Sales oder Personal. Es bedeutet für uns fast schon einen „Onboarding-Start“, weil hier schon viel aus dem Nähkästchen geplaudert wird.
Christian: Ja, wir sind gut darin, solche Innovationen im Stile eines Pionierunternehmens pragmatisch auszuprobieren, damit zu experimentieren - auch wenn das mit mittlerweile 500 Beschäftigten eine andere Challenge ist als in einem Start Up.
Man muss aber hervorheben, dass es für Selbstorganisation trotzdem gute Führung braucht. Wir arbeiten nach ganz klaren Strukturen mit extremer Disziplin. Dafür haben wir auch die OKR (objectives and key results) Planung eingeführt. Es klingt manchmal so, als ob bei der Selbstorganisation jeder einfach irgendwas macht. Genau das Gegenteil ist der Fall. Diese Art zu arbeiten braucht großes Commitment und Transparenz.
Wie kamt Ihr eigentlich auf diese Art zusammenzuarbeiten?
Stephan: Wir haben das Unternehmen 2010 gegründet. Seither sind wir extrem gewachsen. Eine klassische „Wasserfallplanung“ funktioniert in der IT einfach nicht. Wir mussten immer schon agil arbeiten und uns schnell anpassen. Das gehört in der Branche dazu.
Christian: Es wurden agile Elemente dann auch in andere Abteilungen übertragen - überall, wo es eben Sinn macht. Dazu braucht es aber ein Grundgerüst, und das heißt in erster Linie Vertrauen und Engagement. Und natürlich muss es einen Nutzen bringen.
Carina: Unser geteiltes Führungskonzept ist genauso entstanden. Wir haben die Führungsarbeit reflektiert. Wir sind in die Retrospektive gegangen und haben festgestellt, dass wir uns in unsere Stärken aufteilen können. Die Aufgaben und Bereiche sind organisch gewachsen, und wir mit ihnen. Wir bemühen uns um Transparenz und gute Kommunikation – und wir arbeiten gemäß unseren Kompetenzen einfach produktiv. So macht es richtig viel Spaß!
Vielen Dank Ihr drei für den spannenden Austausch und für die Einblicke in Euren Arbeitsalltag.
Wer sich noch für neue Arbeitsmodelle im Sinne der Entscheidungsfreiheit, Holokratie etc. interessiert, ist herzlich eingeladen unseren Blogbeitrag zur Kollektiven Führung beim Umweltbundesamt Wien zu lesen.